Virtuosität der Tasten und Stifte

Dienstag, 15. Juni 2010

Simon says? - Der Imperator sagt, wo es lang geht!

Ihr wollt wissen wer ich bin? Ich bin niemand. Meinen Namen kennt nur ein Mensch. Die, die ihn erfahren, sterben kurz darauf. Ich bin ein Mörder. Ein Schläger. Der Mann für das Grobe. Jene, die für mich arbeiten, nennen mich einfach nur "Capo". Und genauso werdet ihr mich jetzt auch nennen. Aber ich sehe bereits, euch interessiert vielmehr, wer der Mann ist, hinter dem ich stehe. Der Mann, der dort sitzt. Auf seinem Thron. Beobachtet von all den Männern in ihren weißen Gewändern mit den roten Schärpen. Er ist der EINE. Mein Herr. Mein Meister. Mein Mentor. Mein Imperator. Er delegiert. Er befiehlt. Ich führe aus. Er herrscht. Ich töte.

"Mein Herr, dieser Mann dort, er heißt Lucius Brasius. Er war beteiligt, an dieser unsinnigen Geschichte. Ihr wisst schon. Dieser Vorschlag von Demokratie und Fortschritt. Von Freiheit und Unabhängigkeit. Er wollte seine eigene Familie gründen - ohne euch zu fragen, mein Imperator.", flüstere ich dem EINEN in das Ohr. Er nickt. Spricht. Leise; sehr leise. Kaum hörbar sind seine Worte. Aber doch versteht ihn jeder. Denn Angst lähmt jeden in seiner Nähe. Angst sorgt für Ruhe und Ordnung. Und so kann es jeder hören: "Schenke ihm ein Anwesen am Tiber. Nahe den Steinbrüchen Roms." Lucius Brasius atmet erleichtert auf. Ein Lächeln verlässt sein Gesicht. In seinen Augen ist er sicher. Der Imperator hat ihm verziehen. Ihn begnadigt. Brasius' Freunde applaudieren. Auch sie sind erleichtert. Und ich? Nun, ich lächle ebenso, wie all die anderen. Doch im Gegensatz zu ihnen bin ich kein Narr. Kein leichtgläubiger, hirnloser Geist. Nein, ich verstehe meinen Imperator. Weiß genau, was er von mir erwartet. Und ich weiß, ich werde ihn nicht enttäuschen. Er ist Jupiter, und ich sein Schwert. Die personifizierte Rache. Das bin ich. Das ist meine Aufgabe. Mein Leben.

Es ist Nacht. Im Tiber spiegelt sich der Mond. Einzelne Sterne prangen bereits am Firmament. Brasius steht neben mir. Wie noch während der Konsultation mit dem EINEN lächelt er. Doch sein Lächeln ist längst verzerrt. Eigentlich sogar gebrochen. Vielleicht lächelt er noch immer, weil er nicht anders kann. Möglicherweise ist er auch nur dem Wahnsinn anheim gefallen. Oder dieses breite, hässliche Grinsen geht einfach nicht aus seiner Visage, weil meine Mannen ihm eben dieses Lächeln mit Nadel und Faden ins Gesicht genäht hatten. Er sollte den Fährmann fröhlich antreffen, wenn er hinüber gehen würde. Leicht klopfe ich ihm auf die Schulter. "Hier ist dein Anwesen: der Tiber selbst!", sage ich zu ihm und schaue zu meinen Schlägern. "Ja, Capo, wir sind so weit". Ich nicke. Feinster, römischer Marmor ist an die Füße von Brasius gebunden. Genüsslich verspeise ich eine Orange. Meine Leute werfen ihn in den Fluss. Ein Schrei hallt durch die Nacht. Ängstlich verzerrt, durch den platschenden Aufschlag zerrissen. Wieder einer weniger. Auf Befehl des Imperators.

Meine Schläger - meine Blutgierigen - begleiten mich. Die Nacht ist bereits so weit vorgeschritten, wie sie es nur eben kann und so dunkel, dass man seine eigene Hand kaum mehr erkennen kann. Fackeln haben wir nicht dabei. Wir müssen möglichst lange unerkannt bleiben. Solange es nur geht. Aber nicht nur ich und die fünf Männer an meiner Seite sind zu dieser Zeit in Rom unterwegs. An mehreren Orten tauchen kleine Gruppen zwielichtiger Gestalten auf. An mehreren Orten in Rom wird nun das Gleiche passieren: Tür aufbrechen - Hauswachen und Diener abschlachten - in das Schlafgemach der Senatoren eindringen - das Präsent den Opfern zu werfen - sie es sich ansehen lassen - sie verstehen lassen - dann das Blutbad beenden - Feuer legen.
Ich verlasse mit meinen Männern die Villa. Aus der Küche habe ich eine Orange mitgenommen (ich liebe Orangen!). Flammen lodern bereits und lecken über das gesamte Gebäude. Ein Feuer. Doch Rom erstrahlt in dieser Nacht. Immer mehr und mehr Feuer werden sichtbar. Immer mehr und mehr Familien sind nun ausgelöscht. Auf Befehl des Imperators.

Am nächsten Tag fragen sich Freunde, Verwandte und Nachbarn nicht das erste Mal, "Wo ist mein Leben?" - Morgens, halb zehn in Rom! Doch sie werden nichts sagen. Keine Fragen stellen. Denn sie wissen, der schwarze Mann, er ist nicht weit. Anders kennt man mich und meine Mordgesellen nicht: Wir agieren in der Nacht, in der Dunkelheit. Nicht hörbar. Nicht sichtbar. Und wenn doch, so sieht man stets nur die wehenden, schwarzen Umhänge. Unsere Gesichter sind in den Schatten von Kapuzen zu finden. Wir sind die Mordschergen des EINEN. Seine 'Schwarzen Männer'. Der leibhaftige Tod. Wer uns sucht, der wird uns finden. Oder wir finden ihn. Auf Befehl des Imperators.

Mein Herr und Meister ist zufrieden mit meiner Arbeit. Wie immer. Ich erhalte eine zusätzliche Aufwandsentschädigung, schließlich konnte ich mal wieder eine Nacht lang nicht schlafen. Ich verneige mich. Bedanke mich. Trete wieder hinter den EINEN. Bin ruhig. Warte auf den nächsten Befehl. Der kommt auch prompt: Er will etwas Obst. Jetzt. Sofort. Ich hole eine Orange hervor, die ich in der Nacht erst in der Villa der Barzinius' mitgenommen hatte. Mein Messer gleitet aus seiner Scheide. Durchbohrt das Fleisch. Flüssigkeit tritt hervor. Der Imperator macht große Augen. Es gefällt ihm, wie ich die Frucht zerstöre. Langsam führe ich ein Stück Orange auf der Klinge zu seinem Mund. Grinsend schlägt er die Zähne hinein. Ich lächle. Wieder durchbohrt mein Messer das zarte Fleisch. Zerstört. Der Lebenssaft tritt hervor. Er versucht zu schreien. Aber seine Kehle ist durchtrennt. Scheinbar gefällt ihm diese Prozedur nicht so gut.

Ihr wollt wirklich wissen, wer ich bin? Ich bin der EINE!

Montag, 26. Oktober 2009

tempus fugit

Sanft regnet es von oben auf den Spazierenden herab. Das Herunterkommende berührt ihn. Streichelt seinen langen, beigen Mantel. Die Turnschuhe sind von den zahlreichen, wie kleine Seen erscheinenden Pfützen durchnässt. Blätter. Tausendfach gefärbt. Alle Formen. Alt und abgefranst. Noch recht jung und dennoch schon tot. Kurzlebigkeit. Und doch ein endloser Zyklus des Lebens. Tod und Wiederauferstehung. Ein Wunder der Natur. Ein Windstoß wirbelt das herabgefallene Laub auf. Als wenn ein Strohballen über die sandige Straße in einem Westernfilm rollt. Großstadtwestern. Zeit für den Showdown. Highnoon.
Ruhiger Schritt. Entspannung? Anspannung? Er weiß es nicht. Es interessiert ihn nicht. Er lebt. Genießt ihn diesem Moment das Dasein. Warum auch immer. Der Weg, den er gedenkt zu beschreiten, liegt klar ersichtlich vor ihm. Als wäre es ein Miniaturmodell einer Landschaft, eingeschlossen unter einem Glaskasten und versehen mit kleinen Schildchen, die bestimmte Gegebenheiten erklären. Startpunkt, Zielpunkt. Eine Strecke. Von A nach B. Ganz einfach. Ganz simpel. Und doch so verdammt schwer. Und er weiß es. Das ist ihm bewusst. Mehr als alles andere in diesem Moment. Außer vielleicht einer Sache, die ihm noch viel klarer ist, als ihm wohl jemals etwas bewusst gewesen ist.
Die Bahn fährt ein. Schienen vibrieren. Bekannte Geräusche. Tagtäglicher Ohrenterror. Quietschen und Fiepen: Bremsvorgang. Unangenehmer Geruch. Dennoch vertraut, beinahe angenehm. Aber eben auch nur beinahe. Genau das Wort trifft derzeit so viele Tatsachen und Überlegungen: beinahe!
BEINAHE wäre er vor ein paar Tagen von einem Hochhaus gesprungen. BEINAHE hätte er seiner destruktiv-suizidalen Ader nachgegeben. BEINAHE hätte er alles aufs Spiel gesetzt und verloren, was er besessen hat, was ihm wichtig war - nein, IST! Und genau dieses 'beinahe' war der Grund, warum er plötzlich den Moment genießen kann. Carpe Diem. Genau das war das Motto. Nutze den Tag. Lebe den Tag. Sei ein Mensch. LEBE! Das ist das Erstrebenswerte. Er will es umsetzen. Es zeigen. Deswegen ist er auf den Beinen. Sitzt in der Bahn und schaut aus dem Fenster. Betrachtet die vorbeirauschende Landschaft. Beobachtet die Menschen. Die Konturen verformen sich unter seinen Blicken. Neue bilden sich. Veränderung. Der Kreislauf des Lebens. Die sich neugebildeten Konturen gefallen ihm. Er erkennt eine ganz bestimmte Person. Genau die, um dererwillen er nun in der Bahn sitzt. Nur um zu ihr zu fahren. Sie zu sehen. Sei es auch nur einen Moment. Nur eine Zigarettenlänge. Hauptsache sie sehen. Ihr zeigen, dass er noch lebt. Tatsächlich lebt. FÜR sie lebt. In diesem Moment, bei diesem Gedanken, wird es ihm bewusst: Er lebt FÜR sie. Lebt noch WEGEN ihr. SIE war der Grund, warum er im letzten Moment die Kurve gekriegt hat und eben nicht gesprungen ist.
Bahnhof. Das Transportmittel hält. Er steigt aus. Treppen hinunter. Um eine Ecke. Noch eine Ecke. Treppen hinauf. Über eine Ampel. Ein paar Straßen gerade aus, dann zweimal links, einmal rechts. Nur noch ein paar Meter. Er hält kurz an, beugt sich über den Grünsteifen der den Fussgängerweg von den Stellplätzen abgrenzt. Kurzes Würgen. Der Mageninhalt ergießt sich in einem kurzen, knappen Schwall in einen Haselnussstrauch. Er ist nervös. Tierisch nervös. Seit sie sich von ihm getrennt hatte vor einigen Monaten, hat er sie nicht mehr gesehen. Gleich aber wird er vor ihr stehen. Sie sehen. Ihre Augen, in denen er sich verlieren kann, wenn er zu lange in sie hinein blickt. Ihre Haare hoffentlich berühren können, die er so oft liebevoll gestreichelt hat. Mit einem sanften, zögerlichen Kuss ihre Lippen streifen. Er beginnt zu zittern. Sein Finger findet den Klingelknopf. In diesem Moment springt die Playliste seines Mp3-Players auf ein Lied. Nicht irgendein Lied. IHR Lied. Bei dem sie sich das erste Mal geküsst haben. Ein Knacken in der Gegensprechanlage. Ihre Stimme. Seine Beine werden weich. "Ich bin's", mehr bekommt er nicht heraus. Seine Kehle ist wie zugeschnürt. Kurze Pause. Wie wird sie reagieren? Innerlich angespannt erwartet er ihre Antwort. Kein Ton. Kein Wort. Nur der Türsummer ertönt. Er nimmt zwei oder gar drei Stufen auf einmal. Kann es nicht mehr erwarten. Hetzt nach oben. Vierter Stock. Die Tür steht einen Spalt weit offen. Ihr Gesicht schaut ihm entgegen. Das Fragezeichen über ihrem Kopf ist beinahe greifbar für ihn. Er hält inne. Stockt in der Bewegung. Zögerlich, schon fast ängstlich, nähert er sich den letzten Meter. "Hey du." Zwei Worte. Kaum vernehmbar. Und doch ist damit alles gesagt, was er ihr sagen will. Seine Stimme spricht für ihn. Seine Körpersprache. Sie reißt die Tür auf. Ein schneller Satz und sie ist bei ihm. In seinen Armen. Vergräbt ihr Gesicht an seinem Hals. Keiner der beiden sagt ein Wort. Sie brauchen nicht sprechen. In diesem Moment ist alles ausgesprochen. Vergessen sind die einsamen Momente. Die Ungewissheit. Er hat den Weg zurück zu ihr gefunden. Stumm schaut er sie an. Ihre Lippen berühren sich. Wie damals, als sie sich das allererste Mal geküsst haben. Der Zyklus des Lebens. Zeit mag vergehen, manchmal auch verfliegen. Manches aber bleibt stehen und wartet nur darauf, dass jemand die Zeiger zum Weiterdrehen anregt.

Montag, 12. Oktober 2009

Musik des Todes - Destruktive Klänge

Langsam atmend schreitet eine hochgewachsene Gestalt durch die Nacht. Nebel wabert in feinen Schlieren vom Boden herauf. Der Atem visualisiert direkt in der Luft als Dampf. Kleine, schwarze Knöpfe stecken in den Ohren. Eine Hand bedient in der Hosentasche ein elektrisches Gerät. Die andere, von Kälte durchzogen, hält eine glimmende Zigaretten. Führt sie in monotonem Rythmus zum Mund. Feurig glüht sie auf. In der Schwärze weithin erkennbar. Der einzige helle Punkt in der existenten Dunkelheit. Plötzlich laute Musik - die Playtaste endlich erwischt. Megaherz erfüllt die Luft, durchbricht die vorherrschende Stille der Nacht. "Wer wird an deinem Grab stehen? Wem wirst du wirklich abgehen?", singt die Gestalt lauthals mit. Genießt den Klang der melancholisch angehauchten Musik. Die Lippen bewegen sich. Formen Laute, den Liedtext nachahmend. Wieder dieselbe Frage: "Wer, glaubst du, steht an deinem Grab?"
Ein leises Knirschen auf dem Asphalt. Langsam nähert sich das Geräusch. Die Gestalt drückt sich blitzschnell an einen Baum. Verringert hektisch die Wiedergabelautstärke. Behält die Zigarette im Mundwinkel. Atmet. Flach und gepresst. Wartet. Das Knirschen ist nun keine fünf Meter mehr entfernt. Ein tiefer Zug von der Zigarette. Kein Ausatmen. Der Rauch bleibt in der Kehle kleben, ruht dort. Drei Meter. Zwei Meter. Ein Meter. Dann gleiche Höhe. Nichts passiert. Erleichtertes Ausatmen. Abermals ein tiefer, beruhigender Zug. Die Zigarette leuchtet auf. Irgendwo in der Ferne flattern nachtaktive Vögel aufgeschreckt durch die Luft. Plötzlich explodiert ein Kopf. Die Schädeldecke weggefetzt. Blut verteilt sich spritzend in viele Richtungen. Heißer Dampf steigt vom roten Lebenssaft auf. Die Zigarette fliegt durch die Luft, landet auf dem Boden. Klebriges Blut erstickt das letzte aufbäumende Glimmen. Der Vorbeigehende dreht sich langsam um. Klare, kaltblickende Augen schauen auf den Leichnam hinab. Teuflisch das Grinsen. "Niemand wird an deinem Grab stehen." Ein Handy wird gezückt. Ein Anruf wird getätigt. Der Plan ist aufgegangen: Zielperson eliminiert. Auftrag ausgeführt. Gut gemacht. Gute Nacht.

Sadness in the Dawn

...los demonios somos nosotros...

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Versuch oder Buch am...
So, nach langer Zeit ein Update: Am Dienstag dieser...
Sengir - 28. Jul, 18:06
Kurz und schmerzlos
Wir werden alle sterben, dem Tode angedacht. Seit Geburt...
Sengir - 23. Jun, 13:31
...
Mit Bommel im ICQ: Amaran: was denn los mein hase? Hellequin:...
Sengir - 7. Apr, 22:51
...
Mit Vanner im ICQ: Vanner: einer der bauernaufständler...
Sengir - 7. Apr, 22:49
"Mach den Guttenberg!"
Das Lied trifft nur private musikalische und humoristische...
Sengir - 2. Mär, 21:43

Musikliste

Mein Lesestoff

Suche

 

Status

Online seit 6348 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 28. Jul, 18:06

Credits


Augenschein der Realität
Chroniken von Dorila - Winter für Aeyreon
cosas que pasan
Dichtungen des Wahns
Fremdwerke
Fundstücke
Leben abseits vom PC
lyrikale Ergüsse
Schreibsucht
Virtualität
Virtuosität der Tasten und Stifte
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren